Trauerfeier für Jürgen Kiefer
Beisetzung am 9. Februar 2019 in Erfurt
Die öffentliche Trauerfeier für den am 12. Dezember 2018 in Erfurt verstorbenen Generalsekretar PD Dr. phil. habil. Jürgen Kiefer fand am 9. Februar 2019 um 11:30 Uhr in der Trauerhalle II auf dem Erfurter Hauptfriedhof statt. Die Urne wurde im Anschluss an die Feier im engsten Familenkreis beigesetzt.
Der Wortlaut der Gedenkrede des Präsidenten Prof. Dr. Klaus Manger:
Die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt trauert um ihren nach kurzer, schwerer Krankheit am 12. Dezember 2018 verstorbenen Generalsekretar Privatdozent Dr. Jürgen Kiefer, der seit 1994 das Institut für Geschichte der Medizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena geleitet hat.
Geboren am 2. April 1954 in Erfurt, blieb er zeitlebens ein Erfurter. Nach seinem Abitur am Gymnasium Himmelspforte 1972, damals Erweiterte Oberschule, nach Wehrdienst und Tätigkeit in der Erfurter Krankenhausverwaltung nahm er 1975 sein Studium an der Universität Jena auf, das er 1980 mit Diplom und Staatsexamen abschloß. Danach war er an der Medizinischen Akademie Erfurt in der Abteilung Geschichte der Medizin unter dem Medizin-, Universitäts- und Wissenschaftshistoriker Horst Rudolf Abe (1927-2006) bis 1989 Wissenschaftlicher Assistent, wurde 1987 an der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert und habilitierte sich 1997 an der Technischen Universität Dortmund. Von 1990 bis 1993 war er an der Medizinischen Hochschule in Erfurt Wissenschaftlicher Oberassistent und wurde 1994 zum kommissarischen Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Jena berufen, dem er, nachdem er mit der Facultas docendi an der TU Dortmund die Lehre in Neuerer Geschichte und Wissenschaftsgeschichte aufgenommen hatte, seit 1998 als Privatdozent vorstand.
Als Mann der ersten Stunde wurde Jürgen Kiefer am 9. Februar 1990 Ordentliches Mitglied in der Geisteswissenschaftlichen Klasse der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Deren Arbeit, die sie nach der politischen Wende wieder aufgenommen hat, begleitete er von Anfang an als Sekretar, seit 2000 als Generalsekretar und prägte sie maßgeblich. Bereits 1997 ehrte ihn die Akademie als bislang Jüngsten mit ihrer Verdienstmedaille. Neben seiner umfassenden Tätigkeit in der universitären Lehre und Forschung im Fach Geschichte der Medizin machte er sich in Wissenschaft und Wissenschaftsorganisation sowie in der Strukturierung der akademischen Arbeit, die sich in seiner Obhut seit bald dreißig Jahren über beide Klassen der Akademie und außerdem auf ihre von ihm mitbetreuten Abteilungen Verlag, Archiv und Bibliothek erstreckte, unentbehrlich.
Beinahe dauerhaft war Jürgen Kiefer mit der Geschichte „seiner“ Akademie beschäftigt. Eine frühe „Übersicht über das Schriftgut der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt (1754-1945)“ veröffentlichte er bereits in den vom Rektor der Medizinischen Akademie Erfurt herausgegebenen „Beiträgen zur Hochschul- und Wissenschaftsgeschichte Erfurts“ (Bd. 20, Leipzig 1985). Einen Überblick über die Archivalien der Akademie gab er in der von ihm herausgegebenen Sonderschrift „Miscellanea – Neue Beiträge zur Erfurter Akademiegeschichte“ (Erfurt 2011). Daneben entfaltete er eine reiche Publikationstätigkeit, die zum einen unter dem Dach der Wissenschaftsgeschichte der Geschichte der Akademien und wissenschaftlichen Institutionen sowie ausgewählter Fachdisziplinen und zum anderen der Medizingeschichte mit den Schwerpunkten Hospitalkultur und Aufklärungsmedizin gewidmet war. Vor allem das sonderforschungsbereichsverdächtige Thema der Hospitalkultur hätte das Zeug zu einem Projekt von europäischer Reichweite gehabt und verriet etwas von der Weitsicht dieses sich doch vielfach kleinteiliger Verwaltung unterziehenden Generalsekretars. Den Auftakt seiner akademischen Publikationen bildete der 1993 erschienene Beitrag zur Vortragstätigkeit der Erfurter Akademie während der Jahre 1904 bis 1945. Zusammen mit seinem Lehrer Horst Rudolf Abe, erster Vizepräsident und Leiter der Geisteswissenschaftlichen Klasse der Erfurter Societät, seit sie ihre Arbeit nach 1990 wieder aufgenommen hatte, veröffentlichte er 1997 einen Überblick über die Geschichte der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Ihm ließ er im Jubiläumsjahr 2004, als die Akademie, drittälteste ihrer Art im deutschen Sprachraum, ihres 250jährigen Bestehens gedachte, die „Kleine Chronik“ der Akademie 1754-2004 folgen. Allem jedoch setzt sein unentbehrlich gewordenes „Biobibliographisches Handbuch“ die Krone auf, mit dem er die 250 Jahre Akademiegeschichte seit ihrer Gründung erstmals erschlossen hat. Damit beschenkte er seine Akademie zum Jubiläum. Sie bildet sein stolzes Vermächtnis.
Darüber hinaus lagen die Mitteilungen der Akademie, seit dem Jahr 2000 als Jahrbuch, die Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen und der Geisteswissenschaftlichen Klasse, die Sonderschriften der Akademie, die Acta Academiae Scientiarum sowie die Subsidia Academica mit in seinen Händen. Bei dieser Aufgabenfülle ist es nützlich zu wissen, daß der tatsächliche Generalsekretar, der Jürgen Kiefer war, die Strukturen der Sozietät mitbegründete und fortlaufend tatkräftig ausbaute. Außerdem war er an der Projektkommission „Europäische Wissenschaftsbeziehungen“ leitend beteiligt, an deren jüngster, seit 2008 bereits 19. Tagung im September 2018 in Padua er, schon schwer erkrankt, erstmals nicht teilnehmen konnte. Folgende Bände der Reihe hat er mit herausgegeben: „Universitäten und Akademien“ (2010), „Botanische Gärten und botanische Forschungsreisen“ (2011), „Beschreibung, Vermessung und Visualisierung der Welt“ (2012). Beim Band „Heilkunde und Heilmittel. Zum Erwerb und Transfer von medizinisch-pharmazeutischem Wissen in Europa“ (2013) war er alleiniger Herausgeber. Dem folgten die von ihm mitherausgegebenen Bände „Erkunden, Sammeln, Notieren und Vermitteln – Wissenschaft im Gepäck von Handelsleuten, Diplomaten und Missionaren“ (2014), „Von Kometen, Windhosen, Hagelschlag und Wetterballons. Beiträge zur Geschichte der Meteorologie“ (2014), „Von Maimonides bis Einstein – Jüdische Gelehrte und Wissenschaftler in Europa“ (2015), „Reisen von Ärzten und Apothekern im 18. und 19. Jahrhundert“ (2015), „Deutsche und österreichische Forschungsreisen auf den Balkan und nach Nahost“ (2018). Der gerade erschienene Band „Der Ostseeraum aus wissenschafts- und kulturhistorischer Sicht“ (2018/19), den er noch mitredigierte, ist seinem Gedächtnis in großer Dankbarkeit gewidmet. An weiteren fünf Bänden dieser großartigen Reihe war er noch konzeptionell beteiligt. Sein letzter Beitrag zur Erfurter Tagung im April 2018, die unter dem Thema „Real oder imaginär: Reflexion von Wissenschaft in Literatur und Künsten“ (voraussichtlich 2020) stand, hatte, wie konnte das bei seiner Verbundenheit mit der Akademie auch anders sein, den früchtetragenden Baum im Akademiesignet als ein Symbol für die 'nützlichen' Wissenschaften zum Gegenstand. Dieses mit dem Wahlspruch „propter fructus gratior“ verbundene Sinnbild wurde wiederholt als Societätsprogramm verstanden, demzufolge die Wissenschaft Früchte tragen möge. In vorbildlicher Weise hat sich Generalsekretar Jürgen Kiefer diese Devise zu eigen und sie auf den vielen Ebenen seines Lebens und Wirkens fruchtbar gemacht.
Zusammen mit seiner Frau und seiner Familie spüren wir schmerzhaft die Leere, die sein allzu früher Tod hinterläßt. Behalten wir diesen liebenswürdigen, unermüdlich wirkenden, mit Neugier und Frohsinn begabten und durch seinen Humor belebenden Menschenfreund in ehrendem Gedächtnis! Die Erfurter Akademie ist von großem Dank erfüllt, daß sie fast drei Jahrzehnte einen so charakterstarken Generalsekretar hatte, der sie auf Kurs hielt und ihre Geschicke verantwortungsvoll mitlenkte.
Klaus Manger
Präsident der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt